Escaping from home

Tropfenpfote war außerhalb des Lagers. Alleine. Warum? Weil er es konnte.

Gestern kam seine Mentorin Möwenschrei zurück in das Clanlager. Verwundet, blutend, verletzt. Ein Habicht hatte sie angegriffen, ihre Worte. Der Blutgeruch der Kriegerin war entsetzlich, und der Fakt, dass er in diesem Moment nichts tun konnte, um ihr die Schmerzen erträglicher zu machen, machte ihn wahnsinnig. Er hatte sich zurückgezogen, war ihr den Rest des Tages bewusst aus dem Weg gegangen und deshalb hatten sie nicht miteinander gesprochen. Über nichts. Unteranderem darüber, wie es kurzweilig mit seinem Training weitergehen sollte. Und genau deshalb war Tropfenpfote jetzt alleine auf dem Weg zum Ahnenbaum. Er brauchte Ruhe. Ruhe, um seine Gedanken zu sortieren. Etwas Zeit für sich, ohne dass ihn jemand nervte. Er konnte das Geplapper von anderen im Moment nicht ertragen, egal von wem, egal wie lange.

Der halbblinde Kater kam endlich beim Ahnenbaum an. Er stoppte bei der Lichtung, schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Hier und da kroch ein Hauch Mausgeruch in seine Nase, aber die Pflanzen um ihn herum waren deutlich präsenter. Tropfenpfote öffnete wieder seine Augen und sah sich um, lief gemütlich am Rand der Lichtung entlang und prägte sich Geruch und Aussehen verschiedener Pflanzen ein, die seinen Weg kreuzten. Ob Lavendelschleier eine davon gestern für Möwenschrei verwendet hat? Ob eine davon Entzündungen vorbeugt?

Unwillkürlich drehte Tropfenpfote den Kopf erst Richtung Schlangenfelsen, dann zum Donnerweg, die beiden Orte die am nächsten von ihm entfernt waren, wenn man das Clanlager außer Acht ließ. Als wolle sein Körper ihn dazu bringen an etwas anderes als an Pflanzen zu denken, und was für eine Wirkung sie wohl haben mochten. Warum dachte ein Kriegerschüler auch an Heilerzeugs? Tropfenpfote brummte etwas Unverständliches und schüttelte den Kopf. Ob der Habicht hier in der Nähe ist?

Der Schüler legte den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. Die Sonne war nun fast am höchsten Punkt- und strahlte ihm mitten in das grimmige Gesicht. Er senkte seinen Kopf wieder und tappte anschließend auf den dicken Baumstamm des Ahnenbaums zu. Tropfenpfote setzte sich und musterte die vielen Kerben, die in die Rinde geritzt wurden. Der Kater strich mit einer Pfote vorsichtig und bedächtig über ein paar der Kerben. Eine davon musste seinem Vater gehören. Tropfenpfote seufzte. Warum musste er sterben? Dieser verfluchte Dachs. Wäre dieses Biest nicht gewesen dann wäre sein Bruder noch bei ihm und vielleicht hätte er dann nicht so große Schwierigkeiten mit seinem Training. Oder er könnte ihm von seinen Gedanken erzählen, dass ihn Pflanzen viel mehr interessierten und er damit seinen Clankameraden helfen wollte - Blutphobie hin oder her- statt mit Jagen und Kämpfen, wofür er sowieso nutzlos war.

Ein frischer Luftzug wehte an ihm vorbei, zupfte sanft an seinem Fell und ließ die Blätter und das Gras rascheln und tanzen. Doch dabei mischte sich ein Geruch, der nicht passte. Tropfenpfote drehte sich um, als ihm die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen fiel. Fuchs! Und der kam aus der Richtung, in der sich der Donnerweg befand! Sein Herz begann panisch in seiner Brust zu rasen und er duckte sich leicht. Vielleicht, wenn ich ganz leise und schnell bin...


@Flamme
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