Ein Fisch, der lacht. Ein Frosch, der spricht.

Der Morgen lag still über dem NebelClan-Territorium, nur das sanfte Rascheln der Blätter und das ferne Plätschern des Flusses durchbrachen die Ruhe. Die Sonne schob sich gerade als blasser, goldener Streif über den Horizont, als Schneestern den Blick über das feuchte Gras schweifen ließ. Tau glitzerte an den Spitzen des Schilfs, und jeder Atemzug schmeckte nach Blattfall, nach Veränderung.

Seit dem gestrigen Tag hatte sich etwas in ihr zunehmend verändert, kaum greifbar, aber spürbar wie ein Schatten am Rand des Blickfelds. Die Begegnung am Seerosenteich hallte in ihr nach, dieses leise, unheimliche Kichern, das aus dem Nebel gedrungen war, und die Gestalt mit den grünen Augen, deren Worte sie noch immer im Ohr hörte. „Ein Fisch, der lacht…“ hatte er gesagt. Seitdem war sie aufmerksamer. Jeder Laut, jeder Windhauch ließ sie aufhorchen.

Neben ihr ging Falkenschrei, die Schritte ruhig und bedacht. Er hatte die Gestalt gestern nicht gesehen. Nur Elsterherz war Zeugin des flüchtigen Moments gewesen. Schneestern hatte beschlossen, heute an einen anderen Ort zu gehen: zur alten Trauerweide, fern von dem Teich, aber nah genug am Wasser, um Antworten zu finden.

„Bleib wachsam,“ miaute sie leise, ohne den Blick zu ihm zu wenden. „Der Nebel verbirgt manchmal mehr als nur Beute.“
Die lange, herabhängende Weide ragte vor ihnen auf, ihre Zweige schimmerten im Tau, und das Wasser darunter floss träge, aber klar. Schneestern näherte sich lautlos, spürte den kalten Schlamm unter ihren Pfoten, und beobachtete die silbernen Schatten, die unter der Oberfläche vorbeihuschten. Dann... Bewegung. Ein kräftiger Fisch, kaum eine Schwanzlänge entfernt vom Ufer. Schneestern duckte sich, der Wind stand günstig. Für einen Herzschlag lang glaubte sie, im Wasser wieder diese grünen Augen zu sehen, das flüchtige Spiegelbild eines Schattens, und ihre Muskeln spannten sich instinktiv an. Doch dann brach sie aus. Mit einer schnellen, präzisen Bewegung fuhr ihre Pfote ins Wasser, der Schlag hart und sicher. Ein lautes Platschen, und ein großer Fisch flog in einem Bogen in die Luft. Sie fing ihn mit einem geübten Griff, zog ihn ans Ufer und hielt ihn fest, bis er aufhörte zu zappeln. Tropfen perlten von ihrem Fell, die kalte Nässe erinnerte sie an die Nacht am Teich und an das, was dort gewesen war.

Sorgfältig trug sie den großen Fisch ein paar Fuchslängen weiter und schob ihn unter dichtes Schilf, wo die Erde kühl war und das Licht kaum hinkam. Sie trat ein Stück zurück, prüfte noch einmal, dass keine Spur sichtbar blieb. „So… du bleibst schön hier,“ murmelte sie leise, fast fürsorglich zu dem Fisch. 

Gerade als sie sich wieder Falkenschrei zuwenden wollte, hörte sie ein Rascheln. Ein leises, rhythmisches Quaken. Zwischen den Wurzeln der Trauerweide saß ein dicker, grünlichbrauner Frosch, kaum eine Schwanzlänge entfernt, die Augen groß und frech auf sie gerichtet.
Ein amüsiertes Zucken spielte um Schneesterns Mundwinkel. „Na, du lachst mich also aus, hm?“

Falkenschrei hatte sich inzwischen ein Stück entfernt, doch Schneestern achtete nicht darauf. Vermutlich war er ebenso auf seine eigene Beute fokussiert. Ihr Körper senkte sich, die Muskeln gespannt, die Aufmerksamkeit ganz auf das kleine Tier gerichtet. Das Quaken verstummte. Ein Windstoß ließ die Zweige der Weide rascheln. Dann sprang sie. Ein kurzer Satz, federleicht, präzise und der Frosch verschwand unter ihrer Pfote. Ein triumphierendes Glitzern flackerte in ihren eisblauen Augen, während sie den zappelnden Körper behutsam zwischen die Krallen nahm. „Wartet ihr auf ein Zeichen? Auf einen Frosch, der spricht oder einen Fisch, der lacht?,“ murmelte sie leise, beinahe in Gedanken versunken. Für einen Moment war sie still, lauschte, als ob der Wind eine Antwort tragen könnte. Sie wiederholte die Worte der Gestalt, die sie gestern erblickte. Was für ein Zufall war es, dass sie genau jetzt einen Frosch und einen Fisch gefangen hatte?

Sie blickte auf und stellte fest, dass Falkenschrei nicht mehr in ihrer Nähe war. Ihr Herz schlug etwas schneller. Sie hob den Kopf, die Ohren angespannt, der Blick glitt wachsam über das hohe Gras. „Falkenschrei?“ rief sie leise, der Frosch noch immer fest unter ihrer Pfote, während über ihnen das goldene Licht der Sonne durch die hängenden Zweige brach, friedlich, aber trügerisch still.



@Falkenschrei 
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