Die Nacht hatte sich wie ein dunkler Schleier über den Wald gelegt. Im Höhlensystem war es still und es wirkte verlassen, während das schwache Schimmern von Mondlicht, das sich in kleinen Pfützen, in den Furchen des steinigen Bodens, spiegelte, verlieh der Szenerie eine beinahe unheimliche Aura.
Azurblick lief vor und zurück, die wachsamen Augen durch das Lager gleiten lassend. Wie immer mutete ihre Haltung selbstbewusst und diszipliniert an - kein Wunder, wenn man die autoritäre Stellvertreterin gewohnt war.
Fichtenstern hatte ihr eine neue Aufgabe anvertraut: das heutige Training von Eichhornpfote. Es war eine Entscheidung, die sie nicht infrage stellte - denn sie war überzeugt, dass niemand besser als sie geeignet war, eine Schülerin zu fördern.
"Eichhornpfote! Bernsteinpfote!" Ihre herrschende Stimme durchschnitt die Stille fordernder Natur und echote schließlich von den Höhlenwänden wider. Ohne auch nur einen Moment zu zögern, erklomm sie den Redestein und ließ sich mit lässiger Eleganz auf dem Felsen nieder. Die Vorderpfoten überkreuzend, den erwartungsvollen Blick gen Schülerbau richtend.
Die Siamkätzin wusste bereits, wie sie die erste Trainingsstunde gestalten würde. Ein direkter Vergleich, das Kräftemessen zweier unerfahrenen Katzen. Bernsteinpfote hatte bereits die ein oder andere Erfahrung sammeln können, während Eichhornpfote sich der zweiten Anführerin noch beweisen musste. Es war eine Gelegenheit, die Grenzen beider Katzen auszuloten - und eine Möglichkeit für sie, ihre temporäre Schülerin sofort in die Realität des Kriegerlebens zu stoßen.
"Ich will sehen, was du von mir lernen konntest, Bernsteinpfote" , miaute sie gelassen, während ihr Blick zwischen den beiden hin- und herglitt. "Eichhornpfote, auch du kannst mir zeigen, wie sehr dich Fichtenstern bisher gefördert hat. Enttäuscht mich nicht."
Mit einem schnippischen Schweifzucken signalisierte sie den Beginn des Kampfes. Ihre Augen funkelten herausfordernd, denn sie wollte Blut sehen - zumindest metaphorisch . Nur die Stärksten verdienten es, als Krieger aufzusteigen. Und sie würde herausfinden, wie sich die schwächelnde Bernsteinpfote gegen eine besser situierte Schülerin machen würde.
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Eichhornpfote hatte eng zusammengerollt im Schülerbau gelegen, den buschigen Schweif über die Nase gelegt und war gerade im Traum einer Maus gefolgt, als ein strenger Ruf sie erschrocken aus dem Schlaf schrecken ließ.
“Eichhornpfote! Bernsteinpfote!“ Die Schülerin sprang auf die Pfoten und taumelte etwas schlaftrunken hinüber zu Bernsteinpfote, die der laute Ruf sicherlich ebenfalls aus dem Schlaf gerissen hatte.
“Das klang wie Azurblick. Komm schnell, wir sollten sie auf keinen Fall warten lassen!“ , raunte sie ihrer Freundin zu und huschte schnell aus Schülerbau. Ihr Fell war leicht gesträubt in einer Mischung aus Erwartung und Anspannung. Sie blinzelte sich energisch den Schlaf aus den Augen und sah sich hastig in der finsteren Höhle um. Da erblickte sie Azurblicks Silhouette auf dem Redestein und trabte möglichst selbstbewusst darauf zu. Ihr Kopf ratterte, die junge Kätzin war plötzlich hellwach. Was konnte die Stellvertreterin mitten in der Nacht von ihnen wollen? Der gesamte Clan schien zu schlafen, die Höhle war wie ausgestorben und Eichhornpfote meinte ihr wild klopfendes Herz würde von den Höhlenwänden widerhallen, als sie am Fuße des Redesteines stehen blieb und respektvoll den Kopf vor Azurblick senkte. Neugierig und bis aufs Äußerste angespannt sah sie zu der zweiten Anführerin des Clans auf und wartete ab, was sie von ihnen gewollt hatte.
Die Stellvertreterin verlor keine Zeit, ihre Stimme klang gelassen und dennoch autoritär, so dass Eichhornpfote sich automatisch aufrechter hinstellte, als die Kätzin sie ansprach.
“Eichhornpfote, auch du kannst mir zeigen, wie sehr dich Fichtenstern bisher gefördert hat. Enttäuscht mich nicht“ Eichhornpfote nickte hastig und spannte bereits die Muskeln an. Nein, sie wollte Azurblick auf keinen Fall enttäuschen und sicherlich würde diese auch umgehend Fichtenstern Bericht erstatten, wenn sie hier versagte! Sie musste sich nun konzentrieren und zeigen, was in ihr steckte. Eichhornpfote drehte sich zu Bernsteinpfote um, ihre Freundin musste in diesem Moment ihre Rivalin sein und auch wenn dies kein echter Kampf war und Eichhornpfote der Dreifarbigen nicht wehtun würde, war es trotzdem so, dass sie vom Versagen der anderen profitieren würde.
Doch zum Grübeln blieb keine Zeit, denn schon gab Azurblick das Zeichen zum Angriff. Eichhornpfote beschloss Bernsteinpfote keine Zeit zum überlegen zu lassen und schoss blitzschnell auf sie zu. Geduckt wie eine Schlange warf sie sich vorwärts und sprang ihre Gegnerin seitlich an, um sie von den Pfoten zu werfen. Dabei umklammerte sie mit den Vorderbeinen ihren Hals und riss sie mit der Wucht des Aufpralls zu Boden. Sie selbst rollte sich augenblicklich über den Rücken wieder auf den Bauch und sprang auf die Pfoten und wartete mit peitschendem Schweif auf den Gegenangriff.
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Ein leiser, verärgerter Laut entfuhr Bernsteinpfote, als der Ruf sie aus einem ohnehin flachen Schlaf riss. „Was zum…?“ , murmelte sie verschlafen, ehe Eichhornpfotes Stimme sie endgültig ins Hier und Jetzt rief. Azurblick. Großartig.
Bernsteinpfotes Muskeln spannten sich automatisch an, als sie aufsprang. Innerlich fluchte sie, äußerlich wirkte sie ruhig oder tat zumindest ihr Bestes. Die Ohren leicht angelegt, trat sie mit schnellen, leisen Schritten aus dem Schülerbau. Schon in der Bewegung glättete sie ihr Fell mit einem kurzen Zucken der Schultern. Bloß keine Schwäche zeigen. Nicht vor Azurblick. Nicht vor Eichhornpfote. Nicht vor sich selbst.
Sie erkannte die Haltung der Stellvertreterin sofort: stolz, überlegen, abwartend. Und sie wusste, was das bedeutete.
„Ich will sehen, was du von mir lernen konntest, Bernsteinpfote.“
Die Worte trafen wie Krallenhiebe. Bernsteinpfotes Herz schlug schneller, doch sie hob das Kinn, trat selbstbewusst nach vorn und ließ sich gegenüber von Eichhornpfote nieder. Bereit. Ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten im fahlen Licht. Sie wusste, dass Azurblick sie für schwächer hielt. Vielleicht sogar für eine Enttäuschung. Und das konnte sie nicht zulassen.
„Wie du willst.“ Ihre Stimme war leise, aber voller Kampfgeist.
Dann kam das Signal.
Eichhornpfote war schnell. Schneller, als Bernsteinpfote erwartet hatte. Für einen Moment spürte sie die Wucht, spürte, wie sie überrumpelt wurde, als die jüngere Schülerin sie zu Boden riss. Der Aufprall war hart, aber kein Schmerz, der sie bremsen würde. Noch während Eichhornpfote sich abrollte, drehte Bernsteinpfote sich blitzartig auf die Seite, trat mit den Hinterläufen nach ihrer Gegnerin und nutzte den Schwung, um selbst auf die Pfoten zu kommen.
„Nicht schlecht!“ , fauchte sie atemlos, halb wütend, halb beeindruckt. Ihre Augen funkelten, während sie sich tief duckte, den Schweif tief und angespannt. Mit einem Satz sprang sie nach vorn, zielte auf Eichhornpfotes linke Schulter und versuchte, sie mit einem präzisen Hieb aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nicht, um zu verletzen, aber um zu zeigen: Auch sie konnte zupacken.
Jetzt!
Mit einem fauchenden Ausstoß warf sie sich nach vorn. Nicht unüberlegt, sondern gezielt. Eichhornpfote hatte sich gerade aufgerichtet, da prallte Bernsteinpfote mit voller Wucht gegen ihre Schulter. Der Angriff traf. Eichhornpfote wurde unsanft zur Seite geschleudert und kam kurz ins Straucheln, sowie es schien, bevor sie sich wieder fangen konnte.
„Hab dich.“ keuchte Bernsteinpfote und ihr Schweif peitschte durch die Luft, während sie sich erneut kampfbereit duckte. In ihren Augen loderte nicht nur Ehrgeiz. Sondern der flüchtige, triumphierende Glanz eines Erfolgs, den sie dringend gebraucht hatte. Kein Zufall. Kein Glück. Können.
Und sie wusste: Azurblick hatte es gesehen!
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Ein kaum merkliches Zucken ihrer Ohren verriet Azurblicks ungeteilte Aufmerksamkeit, als Eichhornpfote zum Angriff überging. Die junge Schülerin hatte den Überraschungsmoment für sich genutzt. Clever , wie sie fand. Ihr Ansatz war roh, ungeschliffen, aber nicht ganz ohne Potenzial. Die Siamkätzin blinzelte langsam, als sich das Knäuel aus aufgewirbeltem Fell, Krallen und entschlossener Jugend mitten im Lager ausbreitete.
Dann folgte auch schon Bernsteinpfotes Gegenstoß - kraftvoll und kontrolliert, mit einem Anflug echter Technik. Azurblicks blaue Augen verengte sich leicht. Ein Hauch von Anerkennung lag in ihrer Miene, der allerdings genauso schnell wieder verschwunden war.
"Besser, als ich erwartet hatte" , murmelte sie trocken, beinahe beiläufig, als handle es sich um das heutige Wetter. Ihre Stimme hallte durch die verlassene Höhle, zwar nicht lobend, aber auch nicht geringschätzig. Lediglich feststellend.
Mit einer fließenden Bewegung erhob sich die Kätzin vom Redestein, nachdem eine kurze Inne zwischen den beiden Kämpfenden stattfand. Sie schritt langsam auf die beiden Schülerinnen zu, die Muskeln, durch das fahle Licht betont, unter dem kurzen Pelz hervorspielend, wobei ihr Blick - durchdringend und unerbittlich - sich erst auf Bernsteinpfote, dann auf Eichhornpfote legte.
"Du hast dich im Vergleich zu unserem ersten Training verbessert, Bernsteinpfote. Dennoch bist du zu übermütig, feierst dich nach jedem erfolgreichen Zug und genau das tut kein guter Krieger. Investiere diese überschüssige Energie lieber in deine Defensive. Deine Flanke war ungeschützt - was wenn sie direkt gekonntert hätte?" , miaute sie ruhig fragend. "Eichhornpfote, du hast Instinkt. Aber du denkst nicht zu Ende. Deine Energie verpufft, wenn du die Kontrolle verlierst."
Die zweite Anführerin trat einen Schritt näher, die beiden Jungkätzinnen mit ihrer imposanten Gestalt wortwörtlich in den Schatten stellend. Ihre Haltung war starr und nur ihr langer Schweif schnippte hind un her.
"Selbst wenn ihr im Training gegeneinander kämpft, kämpft ihr immer auch für euren Platz im Clan. Für eure Zukunft. Für den Respekt eures Anführers." Eine lange, stumme Pause folgte. "Noch habt ihr ihn nicht."
Dann drehte sie sich um, ohne weitere Worte, und sprang mit einem kräftigen Satz wieder zurück auf den Redestein. Von oben beobachtete sie die beiden, wie ein Greifvogel, der mit aufmerksamen Blick seine Beute aus der Höhe heraus fixierte.
"Wir machen weiter, konzentriert euch."
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