You're the calm I forgot I had
Die goldenen Sonnenstrahlen drangen in den Heilerbau und schienen wie Finger der Sonne über die sorgfältig sortierten Kräuter Echowinds, über ein paar der Moosnester zu tasten. Die Sonne stand tief und warf ihr leichtes Licht über das Land.
Distelstern lag auf der Seite, ihren Kopf auf ihren nachtschwarzen Pfoten abgelegt. Endlich hatte sie eine einigermaßen bequeme Liegeposition gefunden, die ihren noch immer stechenden Nacken etwas entlastete. Das Heben ihres Kopfes und die Bewegung ihres Nackens schmerzte sie noch immer. Auch, wenn der Vorfall bereits einen Tag her war. Fichtensterns Angriff. Leicht verengte sie ihre blattgrünen Augen. Der rotbraune Kater hatte das Gebiet ihres Clans betreten und ihr darüber hinaus ein Leben geraubt. Ihr Nacken pochte schmerzhaft als sie ihren Kopf nur leicht zu bewegen versuchte. Ein dumpfer, kriechender Schmerz, der durch ihren Nacken und ein wenig ihren Schädel hinauf schoss. Ihr war auch als könnte sie den Druck, den der andere Anführer mit seinen Zähnen auf ihren Kehlkopf ausgeübt hatte, noch immer spüren.
»Ich bin das Gesetz!«
Die geknurrten Worte hallten in ihren Ohren nach. Ein Nachhall, den die nachtschwarze Kätzin nicht abschütteln konnte. Seine Stimme hatte so... verzerrt geklungen. Die Kätzin war noch immer nicht sicher, ob sie sich das im Eifer des Kampfes eingebildet hatte oder ob er tatsächlich so geklungen hatte. Was war aus ihm geworden? Fichtenstern war immer ambitioniert gewesen, stolz und kriegerisch. Aber das ... war anders. Das war keine Unbeugsamkeit. Das war fast... Wahn. Brutaler, erbarmungsloser Wahn. Der Blick seiner moosgrünen Augen hatten Distelstern an Katzen erinnert, die von ihrer Blutdurst geblendet waren. Nicht an den resilienten, durchdachten, führungsstarken Anführer.
Das Kribbeln ihrer Pfoten kehrte zurück, das sie seit ihrem Aufenthalt im Heilerbau nach der Niederlage immer wieder spürte, wenn sie zu lange lag. Ihr Körper verlangte nach Bewegung, wollte durch das Lager, durch das Gebiet ihres Clans und an den Grenzen entlang streifen. Aber es ging nicht. Noch konnte sie sich nicht so weit und viel bewege, auch wenn sie sich wohl schnell zu erholen schien. Besser so. Auch, wenn die Kätzin es nicht offen zugeben würde... fühlte sie sich... so klein und schwach. Sie fühlte sich wie eine Versagerin, weil sie Fichtenstern derart unterlegen gewesen war. Er hatte sie wie ein Junges hochgehoben, sie durch ihr Gebiet getragen und wie Krähenfraß vor den Lagereingang geworfen.
Tief atmete die Anführerin ein, hielt kurz ihren Atem und ließ ihn langsam entweichen. Die Luft im Heilerbau schmeckte nach Moos, nach Echowinds Kräutern und nach ihrem Versagen. Leicht legten sich ihre Ohren an. Sie hätte nach der Großen Versammlung und seinen dortigen Drohungen wissen müssen, dass er gefährlich war. Bis zu dem gestrigen Kampf war Distelstern der Meinung, dass sie das Richtige tat, indem sie und ihr Clan den WurzelClan und Braunellenstern unterstützten. Jetzt... kamen ihr Zweifel. Wie sollte sie jetzt noch an ihrem Entschluss, dem WurzelClan zur Seite zu stehen, festhalten? Sie würde ihren Clan - ihre Krieger und die Schüler des BrisenClans - möglicherweise in den Tod schicken, wenn es zum Kampf zwischen dem Wurzel- und dem GlutClan kommen würde. Leicht seufzte sie-
Geschlagen. Gebrochen. Beschämt. So fühlte sie sich.
Leise raschelte das Moosnest unter ihr als sie ihre Position ein wenig veränderte. Und wie auf Befehl meldete sich der Schmerz wie ein scharfer Splitter in ihrem Nacken zurück. Distelstern kniff ihre blattgrünen Augen zusammen. Doch nicht nur wegen des Schmerzes. Sondern auch wegen ihrer Wut, die sich mit dem Schmerz vermischte, und ihrer Furcht. Nicht vor Fichtenstern. Sondern davor, dass er mit seinem Vorhaben erfolgreich sein könnte, dass sich andere Clans ihm anschließen könnten, um ihre Pelze zu retten. Dass Macht mehr zählen würde als das Gesetz der Krieger, dem der BrisenClan so pedantisch folgte. Dass seine Gier stärker wog als Ehre.
Und dass sie und ihr Clan vielleicht...
Nicht genug waren, um das aufzuhalten.
Ihr Blick wanderte zum Eingang des Heilerbaus. Bald würde die Nacht anbrechen. Und mit ihr würden ihre Gedanken schwerer werden. Ob Distelstern heute Nacht ruhig würde schlafen können oder würde Echowind ihr wieder Mohnsamen geben müssen, damit sie Schlaf finden würde? Leise seufzte sie. Distelstern wusste, dass sie nicht ewig in Echowinds Bau liegen konnte. Nicht sie. Doch heute... heute würde sie sich diese Schwäche noch gestatten. Heute noch. Morgen nicht mehr. Sie war nur froh, dass Echowind und Schattenfrost scheinbar ihre Clankameraden vom Heilerbau fernhielten. Distelstern fühlte sich so schon beschämt wegen ihrer Niederlage... Es wäre ihr unglaublich unangenehm, wenn ihre Clankameraden sie in diesem Zustand zu Gesicht bekommen würden.
Geisterjäger
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I have no problem reminding you, dear sister
Efeuschattens Tag war von Patrouillen vollbepackt gewesen, weswegen er zwischendurch keine Zeit finden konnte, um Distelstern in Ruhe besuchen zu können. Aber er hatte es sich fest vorgenommen, nachdem er gestern kaum ein Wort mit ihr sprechen konnte. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was seiner Schwester durch den Kopf ging, wie sie sich fühlte. Doch er wollte ihr klarmachen, dass sie sich für nichts schämen musste. Das sie alles richtig gemacht hatte und sie nicht versagt hatte.
Die Sonnenstrahlen verflüchtigten sich schon und verschwanden alle nacheinander langsam hinter dem Horizont als Efeuschatten zum Frischbeutehaufen trat und die verschiedenen Beutetiere betrachtete. Ein einziger Maulwurf lag zwischen zwei Mäusen, nach dem er sich nun duckte und zwischen die Zähne nahm. Distelsterns liebste Beute waren Kaninchen und Maulwürfe. Ein Maulwurf schien ihm in dieser Situation die passendere Beute zu sein. Sie brauchte die Energie, um schnell wieder zu Kräften kommen zu können. Das eigene hohle, dumpfe Gefühl in seinem Magen ignorierte Efeuschatten dabei gekonnt. Er sollte bald auch etwas essen, aber er konnte noch nicht. Zuerst musste er sicherstellen, dass es seiner Zwillingsschwester gut ging. Oder...einigermaßen gut. Mit erschöpften, leicht wackeligen Schritten näherte der schwarze Kater sich dem Heilerbau.
Ein Rascheln verriet Distelstern, dass jemand eintrat. Efeuschatten tappte zum Nest, in dem die Anführerin lag und platzierte wortlos den Maulwurf vor ihre Nase. Er kannte seine Schwester. Sie würde zögern zu essen, wenn sie im Heilerbau lag und dadurch nichts für ihren Clan beitrug. Nicht vom 'Nutzen' wäre. Aber das war Schwachsinn. “Iss.” , miaute Efeuschatten ernst, aber mit dieser sanften Note in seiner Stimme die nur sie zu hören bekam. Eine Weile musterte er Distelstern ganz genau, als würde er befürchten sie besäße noch irgendwelche Verletzungen, die nicht behandelt worden waren. Aber Echowind war ein herausragender Heiler, und Distelstern schien unversehrt.
Efeuschatten setzte sich. Er bemühte sich um seine gerade und ordentlich Haltung, doch man sah ihm die Erschöpfung trotzdem an, vor allem nach dem langen Tag ohne Schlaf. Er wickelte sein Schweif um sich und richtete den tannengrünen Blick auf Distelstern. “Wie geht es dir, Schwester?” , fragte er fürsorglich und nutzte absichtlich nicht ihren Anführernamen. Denn hier, bei ihm, bei ihrem Zwillingsbruder war sie keine Anführerin. Sie war einfach nur eine Katze im Brisenclan wie jede andere, mit dem Unterschied, dass sie eine große Bürde trug. Manchmal mit Stolz, und manchmal mit Zweifeln. Und Efeuschatten sah ihr an, dass im Moment wieder die Selbstzweifel überwogen. Zweifel, die sie nicht haben musste, welche ihr jedoch trotzdem im Geist spukten und sie nicht losließen.
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