Nachtpfote

Früh wurde es klar, dass sie sich nur wenig um ihre beiden Nachkommen kümmerte, war sie doch stets müde und apathisch, auf Grund ihres ungesunden Konsums von Mohnsamen. Sobald Nachtpfote und seine Schwester also ihre Augen geöffnet hatten und zu laufen begannen, zeigte es sich mehr und mehr, dass sie keinerlei Verantwortung übernahm und die beiden auf sich selbst gestellt waren.

So gelang es Nachtjunges, der mit gerade drei Monden besonders abenteuerlich war, ungesehen aus dem Lager zu verschwinden. Er hatte sich vorgenommen das Schwimmen im Fluss zu üben, um Kieselstein stolz auf ihn zu machen und ihre Beachtung zu erhalten.

Allerdings war die Strömung stark - viel stärker, als er am Ufer erahnt hatte - und er wurde mitgerissen, im rasanten Tempo flussabwärts getrieben. Dabei katapultierten ihn die Fluten gegen einen großen Stein, der aus dem Wasser ragte, und brachen sein rechtes Hinterbein in Zwei, welches ab jenem Tag kaum noch einen Nutzen für ihn hatte.

Zu seinem Glück - oder Unglück - stießen seine verzweifelten Rufe auf die gespitzten Ohren einer Streunerin, die gerade dabei war, das Territorium des NebelClans zu durchqueren. Als sie das ertrinkende Junge sah, zögerte sie nicht lang und rannte den Fluss herab, folgte der reißenden Ströumg und sprang schließlich in die Fluten.

Als Nachtjunges seine Augen öffnete, dröhnte sein Schädel und seine Sicht flimmerte. Es war kalt, nass und sein Körper war taub. Neben sich sah er nur flüchtig die Umrisse des Körpers einer größeren, reglosen Katze, bevor er nochmals sein Bewusstsein verlor und erst im Heilerbau erneut die Augen aufschlug.

Diesmal war etwas anders. Alles war anders. Da war etwas in ihm, etwas fremdes. Schloss er die Augen, so sah er Bilder im Kopf - vor seinem inneren Auge. Fremde Orte, unbekannte Gesichter. Erinnerungen von Geschehnissen, die er nie persönlich erlebt hatte, zu denen sich irgendwann eine Stimme gesellte. Er war nicht mehr allein.

Seine Genesung im Heilerbau ging langsam von statten ehe klar wurde, dass man sein Bein nicht retten konnte. Es war da, es hatte Gefühl - aber es würde für immer schmerzen und nie wieder so stark werden, wie es im gesunden Zustand war. Auch der Husten plagte ihn lange, ließ ihn für fast drei Monde im Heilerbau verweilen, ehe er zurück in die Kinderstube kehren konnte.

Mit sechs Monden wurden er und seine Schwester Dämmerpfote zu Schülern. Mit dem Namen Nachtpfote, berührte er Nasen mit Schneestern, der Anführerin des NebelClans und seiner neuen Mentorin. Er realisierte jedoch früh, dass sie ihn nicht gewählt hatte, weil er besonders vielversprechend oder talentiert war - viel eher aus Mitleid und dem Willen, dem jungen Kater zumindest eine Chance zu geben.

Im Laufe der folgenden sechs Monde lernte er viel. Das Gesetz der Krieger, viel über den SternenClan, mit dem sein Clan so besonders verbunden war, Traditionen, allgemeines Wissen zu Giften und Kräutern, so wie Jagd- und Kampftechniken, die er nur mäßig auf Grund seines Zustandes umsetzen konnte.