Als die Kriegerin zu Bernsteinpfote zurückgekommen war, musste die kühle Kätzin tatsächlich kurz schmunzeln, als die junge Schülerin meinte, dass die Ratte eine Abenteurerin gewesen sein musste. Es erinnerte sie an ihre Brüder, Marderpfote und Wieselpfote. Als die beiden noch lebten, hatten sie auch immer eine witzige, passende Antwort parat, um sich Situationen zu erklären und zurechtzulegen. Schnell verschwand das Lächeln wieder, als die Realität die Kätzin wieder einholte. Meine Brüder sind tot. Ich habe keine kleinen Brüder mehr. Keine Mutter mehr und mein Vater ist auch nicht mehr, wer er mal war. Stattdessen versuchte sich die junge Kriegerin auf die Frage zu konzentrieren, die Bernsteinpfote ihr gestellt hatte. Wie konnte Rehsprung Beute machen, wenn sie diese nicht sehen, sondern nur riechen konnte. »Ich verstehe, dass du dir darüber Gedanken machst. Aber das Sehen von Beute ist nicht so wichtig, wie man vielleicht anfangs glauben mag. « erklärte Rehsprung und dachte darüber nach, wie sie es der Schülerin erklären könnte. »Wenn du eine Spur hast, dann begibst du dich sogleich in Lauerstellung und verfolgst die Spur. Du entwickelst sehr schnell ein Gefühl dafür, wo genau die Beute ist. Wenn ich Beute wittere, erkenne ich an der Intensität der Duftspur direkt, wie weit weg das Tier von mir ist. Dann kann ich mich nähern und weiß, wann ich vorsichtiger sein muss « erklärte Rehsprung und prüfte immer mal wieder die Luft. Eine Erklärung war mit Sicherheit hilfreich, doch noch hilfreicher wäre wohl, wenn Rehsprung es Bernsteinpfote auch zeigen könnte, was genau sie meinte. »Wenn du einen Frosch oder einen kleinen Vogel witterst, kann es durchaus schwierig werden, weil du das Tier nicht siehst und nicht weißt, wann es zu dir sieht. Aber denke dran: Wenn du das Tier nicht sehen kannst, dann kann es dich wahrscheinlich auch nicht sehen. Und dann musst du einfach auf deinen Instinkt hören « erklärte sie und beim erneuten Wittern, konnte sie wieder ein Birkhuhn riechen. »Das Birkhuhn ist zurück. Ich versuche es dir zu zeigen « miaute sie leise und schon begab die Kriegerin sich in Lauerstellung.
Die Kriegerin schlich los, doch sie konnte das Tier nicht sehen und so schlich sie sich einfach durch die Gräser des kleinen Froschteiches und versuchte so unauffällig wie möglich zu sein. Da sie ein Birkhuhn und nicht etwa einen kleinen Finken gewittert hatte, konnte Rehsprung das Tier bald schon entdecken, doch zu ihrem Pech, konnte auch das Birkhuhn sie entdecken und gab der Kätzin nicht einmal die Chance loszusprinten. Laut zeternd rannte es flatternd davon und Rehsprungs Schweif peitschte verärgert. Sie kam zurück zu Bernsteinpfote »Nun, ich habe heute leider kein Glück, wie es aussieht. Aber vielleicht hast du dennoch sehen können, wie ich mich angeschlichen habe. Ich habe mich nur auf den Geruch verlassen und konnte somit wissen, wie weit weg das Tier war. Dann weiß ich auch, ab wann ich besonders aufmerksam sein muss. Aber manchmal ist die Beute aufmerksamer als wir. So ist das eben. « miaute sie kühl und blickte auf die Ratte »Immerhin hat einer von uns Beute gemacht. Lass uns aufbrechen « sagte die Kätzin ruhig und lief los, war aber durchaus bereit, auf dem Heimweg noch weitere Fragen der wissbegierigen Schülerin zu beantworten.
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Bernsteinpfote ließ die Ratte kurz auf den Boden sinken, als Rehsprung mit ihrer Erklärung begann, und spitzte neugierig die Ohren. Die Worte der Kriegerin klangen kühl und bedacht, wie immer, doch die junge Schülerin konnte nicht umhin, die Weisheit darin aufzusaugen. Ihre bernsteinfarbenen Augen folgten jeder Bewegung von Rehsprung, während diese von Duftspuren und Instinkt sprach. Das Sehen ist nicht so wichtig? , dachte sie zweifelnd, doch sie hielt ihre Zunge im Zaum... für den Moment. Ihr Ehrgeiz brannte heiß in ihrer Brust, und sie wollte jede Gelegenheit nutzen, um von der erfahrenen Jägerin zu lernen, auch wenn ihre Ungeduld sie innerlich zappeln ließ.
Als Rehsprung sich in Lauerstellung begab, um das Birkhuhn zu zeigen, hielt Bernsteinpfote den Atem an. Ihr schlanker Körper spannte sich an, als würde sie selbst durch die Gräser schleichen. Sie beobachtete genau, wie die Kriegerin sich bewegte – leise, präzise, ganz auf den Geruch fokussiert. Doch dann, als das Birkhuhn laut zeternd davonflatterte, konnte Bernsteinpfote ein leises Schnauben nicht unterdrücken. Pech gehabt , dachte sie mit einem Hauch von Schadenfreude, auch wenn sie sich sofort dafür schalt. Rehsprung war schließlich eine angesehene Kriegerin und sie wollte sie nicht verärgern. Dennoch funkelte ein triumphierendes Glitzern in ihren Augen. Sie hatte eine Ratte gefangen!
„Dein Anschleichen war echt beeindruckend“ , miaute Bernsteinpfote, als Rehsprung zurückkehrte, und bemühte sich, ehrlich zu klingen, obwohl ihre Stimme einen Hauch von Ungeduld trug. „Ich glaube, ich hab verstanden, was du mit der Duftspur meinst. Aber wie hältst du dich so ruhig, wenn du weißt, dass die Beute jeden Moment abhauen könnte?“ Sie schüttelte leicht den Kopf, als könnte sie ihre eigene Hitzköpfigkeit damit abschütteln. „Ich wäre wahrscheinlich zu früh losgestürmt und hätte das Birkhuhn noch früher verscheucht.“ Ein selbstkritisches Lächeln huschte über ihr Gesicht, bevor sie die Ratte wieder aufnahm und Rehsprung folgte.
Während sie nebeneinander herliefen, konnte Bernsteinpfote ihre Neugier nicht länger bändigen. Mit der Ratte im Maul nuschelte sie: „Und was machst du, wenn der Wind plötzlich dreht und die Beute dich wittert? Hast du da auch einen Trick?“ Ihre großen Augen blitzten erwartungsvoll, während sie neben der Kriegerin hertrottete. Sie war fest entschlossen, jedes bisschen Wissen aus Rehsprung herauszuholen, auch wenn sie sich dabei vielleicht ein wenig zu sehr ins Zeug legte. Ich werde die beste Jägerin im GlutClan , schwor sie sich stumm, und ihre buschige Schweifspitze zuckte energisch, als sie auf eine Antwort wartete.
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Das Training der beiden Katzen war erfolgreich gewesen, die Jagd hingegen schien nur für die Schülerin Bernsteinpfote von Erfolg gekrönt zu sein. Zwar nervte Rehsprung diese Tatsache, doch sie ließ sich davon nicht allzu sehr beeinflussen. Stattdessen traten die Schülerin von Azurblick und die getupfte Kriegerin den Rückweg an und diesen nutzte die wissbegierige Bernsteinpfote dafür, um einige Fragen zu stellen.
Die junge Kriegerin war für diese Fragen durchaus offen und wusste es zudem zu schätzen, dass das ehemalige Streunerjunges solch ein Interesse am Lernen zeigte. Erst wollte Bernsteinpfote wissen, was sie machte, wenn sie ihre Beute nicht sehen konnte und nun fragte sie, was die Kriegerin tat, wenn der Wind plötzlich drehte. »Nun, wenn der Wind sich dreht, kannst du still verharren, doch wenn der Wind deinen Duft genau zur Beute weht, dann solltest du schnell sein « erklärte die Kätzin und sprang mit einem kraftvollen Sprung auf einen Felssims, da jetzt der Aufstieg in das Gebirge begann, in dem das Lager des GlutClans lag. »Die Beute wird mit Sicherheit das Weite suchen und deine einzige Chance auf Nahrung ist es dann, wenn du sofort zuschlägst, statt Zeit zu vertrödeln. Manchmal, kannst du nicht mal dann die Beute erlegen, aber es ist in so einem Fall deine einzige Chance. « erklärte sie, sprang einen weiteren Vorsprung hoch und blickte zu der Schülerin, ob sie gut hinterher kam. »Meist ist Jagen ja eine Probe für die Geduld, aber es liegt in deiner Verantwortung zu erkennen, wann es an der Zeit ist, Taten sprechen zu lassen. Der ständig grübelnde Jäger verhungert, während seine Beute davonläuft « miaute sie und als die Schülerin einen Sprung wagte, der sehr weit war, blickte Rehsprung zu ihr. Bernsteinpfotes Vorderpfoten kamen nur kurz hinter dem Abgrund des Felsvorsprungs auf und ihr Körper konnte keinen Halt mehr finden. Die Schülerin rutschte zurück und auch ihre ausgefahrenen Krallen konnten nicht verhindern, dass ihr Körper sie nach unten zog. Das Herz von der getupften Kriegerin schien auszusetzen und panisch machte sie einen Satz nach vorne und packte Bernsteinpfote in deren Nacken. Sie zog die Schülerin auf den Felsvorsprung und als die Schülerin wieder sicher war, legte sich langsam der gesträubte Pelz der Kätzin an »Du musst aufpassen was du machst! « knurrte Rehsprung und schien wütend zu sein. Sie schnappte sich die Ratte, die Bernsteinpfote vor Schreck losgelassen hatte. »Ich trage die Ratte zurück. Du kannst sie wieder nehmen, wenn wir oben angekommen sind. Du gehst vor und Schluss mit der Fragerei, konzentriere dich auf deine Sprünge « murrte sie durch das Fell der Ratte in ihrem Mund.
Rehsprung hatte sie sich so sehr erschrocken, als Bernsteinpfote sich verschätzt hatte. So muss es Wieselpfote und Marderpfote ergangen sein. Voller Temperament springen die Schüler von Fels zu Fels und dann plötzlich war es vorbei. Die Kätzin blickte den Abhang hinunter, dem Bernsteinpfote nur knapp entkommen war. Es war nicht allzu tief, doch die Felsen waren spitz und ein freier Fall war unkontrolliert. Es war nicht auszuschließen, ob ein Sturz in diese Tiefe ein Leben beenden könnte. Der Schreck über jene Szene hatte sich gelegt, doch der Schreck wich Wut. Auch wenn die Schülerin nichts dafür konnte, hatte sie einen Tief weggesperrten Schmerz in Rehsprung geweckt, den die Kriegerin nun mit aller Kraft wieder zurückdrängen musste.
Alias — Efeu
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