the night before the silence - Spielleiter - 06.09.2025
Kein Himmel, kein Boden, keine Richtung
Die Welt war in Grau getaucht. Kein Himmel, kein Boden, keine Richtung. Nur Nebel. Zäh, kalt und feucht, als würde selbst die Luft vergessen wollen, dass sie atmen konnte.
Blätterjunges wusste nicht, ob sie stand oder schwebte. Ihre Pfoten berührten nichts, doch sie fiel nicht. Kein Wind, kein Laut. Nur diese allumfassende, erdrückende Stille. Und dann… flackerte es.
Ein Licht. Kaum mehr als ein Schimmer. Fern. Flackernd wie ein sterbendes Glühwürmchen im Wind. Sie ging darauf zu… oder vielleicht zog es sie. Mit jedem Schritt wurde es klarer, wuchs… nein, formte sich. Zu einer Silhouette. Groß. Alt. Von Schatten umgeben, als wäre Licht zu nah bei ihm eine Beleidigung. Die Stimme war brüchig, aber durchdringend. Wie Asche auf heißem Stein.
„Du bist nicht gemeint. Und doch bist du hier.“ Blätterjunges öffnete den Mund, aber kein Laut kam. Nur Dunst. „Die Stille ist gekommen. Und mit ihr… das Andere.“
Die Gestalt hob den Kopf. Nur für einen Moment war das Gesicht zu erkennen, nicht deutlich, nicht greifbar. Doch die Farbe des Pelzes… der trübe Glanz in den Augen… der Duft nach Kräutern… es war wie ein Echo von etwas, das Brandnarbe oft beschrieben hatte. Ein Echo von Kohlenrauch.
„Wir hatten geglaubt, die Narben würden reichen.“
Flüstern erhob sich um sie herum. Wie Stimmen aus dem Nebel, tausende, wispernd, versuchend.
„Komm zu uns… du musst nicht allein sein… wir können dich heilen…“
„Er versteht dich nicht… kann es nicht… aber wir tun es…“
Blätterjunges spürte etwas Kaltes ihren Rücken hinaufkriechen. Der Boden unter ihr war nun sichtbar. Asche. Und darunter… Knochen. Die Kohlenrauch-Gestalt sprach erneut, aber leiser, zittriger.
„Sag es… dem mit den Narben… Er wird es leugnen. Er wird dich verachten. Aber er… wird es wissen.“ Ein letztes Mal hob sich der Kopf. Die Silhouette flackerte, als würde sie gleich vom Nebel verschluckt werden.
„Wenn die Sonne stirbt…
Und der Tod spricht mit silberner Stimme…
Dann kehrt zurück, was nie hätte leben sollen.“
Ein Zischen. Ein Reißen. Das Wispern wurde zu einem einzigen, klagenden, markerschütternden Schrei.
Und Blätterjunges erwachte.
RE: the night before the silence - Blätterjunges - 11.09.2025
Blätterjunges schreckte keuchend aus dem Schlaf. Der Schrei hallte noch immer in ihren Ohren wider, erfüllte sie mit einer solchen Panik, dass sie für den Moment kaum atmen konnte. Ihre Lungen schrien, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie schockiert gegen ihre Todesangst ankämpfte.
Sterbe ich etwa? Starr vor Angst und doch mit einer beeindruckenden Sturheit sog sie weiter Luft in ihre Lungen, jeder Atemzug ein fieses, knarzendes Geräusch und so anstrengend, dass sie beinahe das Bewusstsein verlor. Doch Blätterjunges spürte, wie die Taubheit langsam nachließ und die tückische Schwärze Stück für Stück weiter aus ihrem Sichtfeld verschwand. Erschöpft rollte sie sich auf den Bauch, wo ihr das Atmen allmählich leichter fiel. Ihr Blick fiel auf ihre Pfoten, konnte beinahe immer noch die Knochen und die Asche sehen, widerstand dem Drang, sich die Spuren ihres Traumes von den Füßen zu waschen.
Ein Traum… nur ein Traum. Mühsam rappelte sie sich auf die Pfoten, immer noch schwer atmend und versuchte ihre Gedanken zu klären. Sie hatte noch nie so lebhaft geträumt und eine hartnäckige Stimme in ihrem Inneren schrie ihr zu, dass die Botschaft dieses Traumes wichtig war. Und so schloss die kleine Kätzin die Augen und ließ zu, dass sie die furchteinflößende Erfahrung erneut durchlebte.
Der Anfang war schön gewesen, fast friedlich. Sie erinnerte sich an das warme Licht, das Gefühl zu schweben. Sie hatte sich sicher gefühlt, doch dieses Gefühl hatte nicht lange angedauert... Blätterjunges sah die Augen des schwarzen Katers vor sich, der ihr seltsam bekannt vorgekommen war, auch wenn sie sicher war, ihm noch nie begegnet zu sein. Doch sie hatte von ihm gehört und mit einer Gewissheit, die sie nicht benennen konnte wusste sie, wer der Kater war.
Doch Kohlenrauch ist tot… Beim SternenClan. Heißt das…? Die Kätzin versuchte sich seine Worte erneut ins Gedächtnis zu rufen, auch wenn sie sie kaum verstand. Doch einen Teil der Worte verstand sie sehr wohl.
“Sag es… dem mit den Narben...“ Brandnarbe. Kohlenrauch hatte eine Botschaft für Brandnarbe. Doch warum über sie? Blätterjunges erschauderte. Doch wenn irgendjemand in diesem Clan ihr würde erklären können, was ihr Traum bedeutete, dann der alte Heiler. Die Kätzin sprang auf die Pfoten und sah sich in der kleinen Höhle um, in der sie nun immer öfter schlief, seit es ihr etwas besser ging. Sie spürte, dass Brandnarbe sie nicht mehr um sich haben wollte und tat ihm den Gefallen allzu gerne. Es tat gut, nicht immer nur bei den Verletzten und Kranken zu liegen.
Lautlos schob sie sich durch den kleinen Eingang und sah sich in der Haupthöhle um. Es war stockfinster, doch Blätterjunges hatte keine Mühe den Weg zum Heilerbau zu finden. Der Heiler war wach, sah sie an mit einem Blick, den die Jungkatze nicht deuten konnte. Sie fühlte sich etwas nervös, dennoch setzte sie sich eine Schwanzlänge entfernt von ihm hin und neigte respektvoll den Kopf vor ihm.
“Brandnarbe, tut mir leid, dass ich dich stören muss. Ich möchte gerne mit dir reden. Ich hatte einen Traum und ich glaube, er war wichtig“ , setzte sie an, ihre grünen Augen musterten Brandnarbe genau. Sie fürchtete sich nicht direkt vor seiner Antwort, dennoch war ihr seine Meinung wichtig. Ihr lag viel an dem klugen Kater und sie fürchtete zurecht, dass er sie nicht ernst nehmen würde.
RE: the night before the silence - Brandnarbe - 13.09.2025
DER GLAUBE KEHRT NICHT MIT EINEM FUNKEN ZURÜCK
…aber manchmal mit einem Flüstern.
Brandnarbe hatte den Rest des Tages über nicht geschlafen.
Er hatte es versucht. Mehrfach sogar. Doch seine Augen hatten sich jedes Mal sofort wieder geöffnet, kaum dass er den Kopf gesenkt hatte. Die Schatten an den Höhlenwänden schienen sich zu bewegen, obwohl der Wind draußen längst eingeschlafen war. Es schien windstill zu sein und wenn man seine Ohren spitzte, dann konnte man hören, wie Wasser vom Himmel fiel. Leicht. Sachte. Nur ein Nieseln. Und obwohl nur der leise Nieselregen zu hören war, hallte das Echo eines einzelnen Namens durch seinen Kopf, wie ein Fluch, den er nicht loswurde.
Blätterjunges .
Er hatte sie weggeschickt. Nur diesmal… war etwas zurückgeblieben. Nicht in der Höhle. In ihm. Etwas, das an ihm nagte.
Zuerst hatte er geglaubt, es sei Zorn.
Zorn darüber, dass sie so schwach war und trotzdem glaubte, helfen zu können.
Zorn darüber, dass sie ihm nachlief.
Zorn darüber, dass sie glaubte, es gäbe irgendetwas, das sie (ausgerechnet sie!) beitragen könnte.
Aber je länger die Stille sich in den Bau legte, desto klarer wurde ihm: Es war nicht nur Zorn.
Es war Angst.
Nicht vor ihr. Nicht vor ihrer Schwäche. Sondern davor, dass sie vielleicht… nicht nur das war.
„Zu weich“, hatte er gesagt. Als wäre das ein Urteil. Als wäre es… falsch.
Er hasste solche Gedanken. Hasste es, wenn die Welt nicht mehr klar war, wenn Stärke nicht mehr gleich Überleben bedeutete. Wenn er sich selbst nicht mehr traute.
Er hatte stundenlang Kräuter sortiert, obwohl sie längst geordnet waren. Dann hatte er sie wieder durcheinandergebracht. Jedes Moosstück, jede Wurzel. Wie in Trance. Nur um etwas zu tun zu haben. Etwas, das nicht denken ließ. Seine Prinzipien nicht hinterfragte.
Doch nun, zu Mondhoch, saß er still.
Die Pfoten unter sich verschränkt, die Augen offen. Müde, aber wach.
Der Mond schien kalt und weiß durch den Höhleneingang.
Und dann… kam sie.
Natürlich kam sie.
Diese hartnäckige, zerbrechliche, viel zu weiche, viel zu wache Kätzin.
Und mit ihr, die Worte, die ihn hellhörig lassen werden sollten.
„Ich hatte einen Traum… und ich glaube, er war wichtig.“
Noch während Blätterjunges sprach, hatte er den Kopf zur Seite gewandt, als lausche er etwas anderem. Seine Miene war reglos, wie aus Stein gehauen. Kein Zucken, kein Nicken, kein Hauch einer Reaktion. Doch hinter den Augen begann es zu brennen. Kein Feuer, das Wärme schenkte, sondern eines, das zu Asche werden konnte.
Der alte Heiler blinzelte einmal langsam, aber antwortete nicht sofort. Sein Schweif lag ruhig auf dem Boden, doch sein Körper wirkte angespannter als sonst. Vielleicht war es Müdigkeit. Vielleicht war es mehr.
Sein Blick glitt an ihr vorbei. Auf einen unsichtbaren Punkt in der Dunkelheit des Baus. Kein Zucken. Kein Stirnrunzeln. Nur dieses stille, beinahe lauernde Innehalten, das ihn manchmal überkam, wenn er die Grenze zwischen Wahrheit und Irrsinn zu erkennen versuchte.
„Träume.“
Ein einzelnes Wort.
Nichts weiter.
Er sah sie nicht an, als er sprach. Seine Stimme war ruhig. Fast zu ruhig.
„Sie sind Schaum auf Wasser. Leicht. Flüchtig. Ohne Gewicht.“
Dann hob er den Blick. Langsam. Schwer.
Und diesmal sah er sie direkt an.
„Aber manchmal… ist das Flüstern des SternenClans auch nicht mehr als das. Manchmal jedoch auch mehr.“
Seine bernsteinfarbenen Augen verengten sich leicht.
„Also?“
Ein einziges Wort.
Ein Prüfstein.
Keine Ermutigung. Keine Abweisung.
Nur diese eine, ruhige Aufforderung.
„Was hast du gesehen?“
RE: the night before the silence - Blätterjunges - 14.09.2025
Die Stille, die folgte dehnte sich unnatürlich aus in der kühlen Nachtluft. Brandnarbes Haltung war angespannt, sein Blick abgewandt. Doch Blätterjunges wusste, dass er jedes ihrer Worte vernommen hatte und mehr als das. Das er jedes Wort penibel prüfte und zerlegte, bevor er ihr antworten würde. Doch auch Blätterjunges Haltung war in einer neuen Anspannung gefangen. Seit dem Vortag begegnete sie Brandnarbe mit einer Vorsicht, die vorher nicht da gewesen war. Zuvor war er ihr nur kühl und beizeiten mürrisch vorgekommen. Doch jetzt war da eine Eiseskälte und eine Bedrohlichkeit, die die Jungkatze wachsam machten.
Ein Rückzug war jedoch nicht mehr möglich und Blätterjunges straffte die schmalen Schultern.
Er wird es leugnen. Er wird dich verachten. Sie schluckte. Es machte es nicht leichter, dass sich seine Haltung nur ihr gegenüber geändert zu haben schien. Doch eine Kätzin wie sie, eine kranke, schwache Existenz die nur so lange geduldet wurde, wie Bergviper sie bewachte hatte nicht viel zu verlieren.
Er begann zu sprechen, die Stimme ruhig und emotionslos. Doch Blätterjunges fröstelte. Sein Blick glitt an ihr vorbei und sie versuchte, stark zu wirken, selbstbewusst. Ihre Augen lagen auf seinen, würden seinen Blick auffangen, sobald er sie ansah.
Er hob den Blick und auch, wenn Blätterjunges vorbereitet war kostete es einiges an Überwindung, dem kühlen Blick aus den klugen Augen standzuhalten. Ihr war als blicke er direkt durch sie hindurch auf ihre Seele. Dennoch, Brandnarbe sprach von sich aus vom SternenClan. Die Kätzin horchte auf und fragte sich, was das bedeuten mochte. Er konnte unmöglich wissen, dass Kohlerauch sie im Traum besucht hatte… oder? Nun sei es drum, der Heiler wartete auf eine Antwort. Kurz huschte Trauer über ihr Gesicht, gefolgt von ungewollter Resignation.
Er wird dich verachten.
Der SternenClan irrte sich nie. Es war fast egal, was sie sagte.
“Ich bin einem Kater begegnet. Schwarzes, langes Fell, gelbe Augen. Er roch nach Kräutern. Ich denke er gehört zum SternenClan.“ Sie wagte es nicht, ihn als Kohlenrauch anzusprechen. Er hatte ihr seinen Namen nicht genannt, doch sie war sicher, dass Brandnarbe ihn anhand ihrer Beschreibung erkennen würde.
“Er sagte ich solle dir etwas mitteilen.“ Er wird dich verachten. Zitternd dachte sie an die Asche an ihren Pfoten, die spitzen Knochen… den Schrei.
“Er sagte: Wenn die Sonne stirbt… Und der Tod spricht mit silberner Stimme… Dann kehrt zurück, was nie hätte leben sollen“ , zitierte sie und war nun in voller Alarmbereitschaft. Wie würde Brandnarbe reagieren?
Er wird dich verachten.
Sie sah ihn an, wartete auf sein Urteil. Sie erinnerte sich an die leisen Stimmen, die sie gelockt hatten, beinahe an ihrem Fell gezogen hatten. Wollten sie ihr einen einfacheren Weg aufzeigen? Aufgeben, loslassen? Blätterjunges sah Brandnarbe fest in die Augen und schüttelte die unbehaglichen Gedanken von sich.
Aber er… wird es wissen.